Mich fragen die Leute oft „Josianne, wie schaffst du das alles? Du hast eine Familie, drei Kinder, hast ein florierendes Geschäft aufgebaut, ein Buch geschrieben, und doch sitzt du viel in deinem Garten am Feuer oder gehst im Wald spazieren“. Diese Frage habe ich in den letzten Jahren so oft gehört. Ich bin weder ein Workaholic noch schaffe ich alles. Ich gehe meistens um 22 Uhr ins Bett und stehe fast nie vor halb 8 Uhr auf. Mein Geheimnis ist keines, denn ich spreche liebend gern den ganzen Tag darüber, mit allen die es hören wollen (und manchmal auch mit solchen, die es nicht hören wollen…): Ich lebe und arbeite im Einklang mit meinem Menstruationszyklus.
Ich weiß jeden Tag, an welchem Zyklustag ich mich befinde, und stelle mir folgende Fragen: was tut mir heute gut? Und was lasse ich heute weg?
Kurz vor der Menstruation fühle ich mich komplett anders als um den Eisprung, und meine Bedürfnisse sind nicht die gleichen, weder im privaten Bereich noch im Arbeitsleben.
Mal so, mal so
Wir sagen mit Begeisterung für ein Projekt zu, und fragen uns zwei Wochen später, warum um alles in der Welt wir uns das aufgehalst haben. Oder wir brennen für ein Projekt, pflastern Instagram und Facebook damit voll, und zwei Wochen später ist die Welle vorbei und wir fragen uns vielleicht sogar, ob wir unser dein Handy gegen eine Tafel Schokolade eintauschen können.
Manchmal geht ein Meeting locker flockig vorbei, wir sind in einer Präsentation wortgewandt und haben Lust, danach mit den Arbeitskollegen noch etwas Trinken zu gehen. An einem anderen Tag sind wir abgelenkt, können uns schlecht fokussieren und sehen uns nach der Natur, einem weiten Strand, einem stillen Feuer und jemandem, der uns das Essen dorthin bringt.
Alles das hat einen direkten Zusammenhang mit unserem Menstruationszyklus, mit unseren inneren vier Jahreszeiten! Und genau dieser Zyklus ist es, welcher uns die geheime Superkraft gibt, selbstbestimmte kick-ass Geschäftsfrauen zu sein. Unser Zyklus ist der Extrabonus, den uns die Natur geschenkt hat (und wer jetzt die Augen verdreht ist besonders eingeladen noch ein bisschen weiter zu lesen).
Die vier inneren Jahreszeiten
In unserem Leben als Frau durchleben wir ca. 450 Menstruationszyklen. Ein Zyklus dauert von einer Menstruation zur nächsten. Zusammengerechnet bluten wir also ungefähr sechs Jahre unseres Lebens. Das sind fast 2200 Tage.
Mit den Jahreszeiten sind wir in unseren Breitengraden bestens vertraut. Unser Zyklus ist jeden Monat ein verkleinertes Abbild der vier Jahreszeiten.
- Der innere Frühling: heranreifendes Ei, Follikelphase (zunehmender Mond, Mädchen, Morgen)
- Der innere Sommer: um den Eisprung, (Vollmond, Frau/Mutter, Mittag)
- Der innere Herbst: unfruchtbarer Zyklusteil, (abnehmender Mond, wilde, mystische Frau, Abend)
- Der innere Winter: die Menstruation (die weise Frau, Nacht, Neumond)
Im inneren Frühling- und Sommer zeigen wir uns gerne nach Außen und sind bereit für die Welt. Wir blühen auf, strecken unsere Fühler aus und haben Freude an Gemeinschaft, Netzwerken und sind oft voller Energie. Hier höre ich gerne Mercurys Song ‚Don’t stop me now‘!
Der Zyklus-Herbst ist die Zeit des Loslassens. Hier haben Bullshit und Illusionen keinen Platz. In dieser Zeit ist es meistens nicht mehr möglich, so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre. Wir können dagegen ankämpfen (PMS lässt grüssen) oder uns den Tatsachen stellen. Nie sind wir klarer in unserem Wissen, als im Zyklus-Herbst. Hier liegt ein Riesenpotential, unser Leben selbstbestimmt und frei zu gestalten.
Während der Menstruation befinden wir uns im inneren Winter, bei unseren Wurzeln. Uns tut Ruhe und Stille gut, wir machen Pause. Wir reflektieren und schauen, ob es uns wohl ist im (Arbeits)-Leben. Wir füllen unsere Batterien, schalten einen Gang herunter.
Die Künstlerin Christin Gotz aus Wien spiegelt mit ihren Musenkuss-Illustrationen die 4 Phasen des Menstruationszyklus treffend. Für jede innere Jahreszeit hat sie eine Musenkuss-Zykluskarte erschaffen, welche an die Qualitäten der jeweiligen Zeit erinnert.
Geht Business nur auf die lineare Art?
Wir sind konditioniert, linear, logisch und zielgerichtet unsere ‚Sache‘ durchzuziehen – sei diese ‚Sache‘ eine Deadline einzuhalten, ein Projekt voranzutreiben, die Marketingkampagne zu starten oder unseren Businessplan aufzustellen. Klingt sehr vertraut, oder? Und ziemlich unsexy, finde ich.
Unsere Gesellschaft, unsere Wirtschaft und der Arbeitsalltag funktionieren linear. Leistung zählt. Produktivität ist das Ziel. Wachstum ist das neue Gold. Immer alles jetzt ist der Trend, oder ein ‚Muss‘, wenn du überhaupt mithalten willst.
Selbständige Mütter arbeiten zusätzlich noch zu zerquetschten Zeiten wie Abends, wenn die Kinder im Bett sind, am Samstagmorgen, wenn der Mann mit ihnen was unternimmt, und zu sonstigen Unzeiten, da ja ALLES irgendwie nebeneinander Platz haben muss.
Wenn wir als Frauen unsere Geschäfte (und unseren Alltag!) linear führen, kommen wir irgendeinmal an den Punkt, wo es streng wird. Sehr streng. Wo wir den ganzen Druck vom ‚immer mögen müssen‘ nicht mehr ertragen. Wo es zum Burnout kommt. Und dann hören wir wieder auf und fühlen uns als Versagerinnen.
Zyklisch zu arbeiten ist für uns natürlicher als linear.
Wenn ich mit Frauen über die Menstruation und den weiblichen Zyklus spreche höre ich so oft, dass es nicht möglich ist, sich während der Menstruation eine Pause zu gönnen. «Es muss einfach weiter gehen». »Ich muss einfach funktionieren, so läuft das nun mal». Stimmt – aber nur so halb! Pausen machen geht auf viele verschiedene Arten, das heißt nicht nur, auf dem Sofa zu sitzen. Wir können das Handy einen Tag abgeschaltet lassen, oder nur punktuell einschalten. Wir können auf Social Media verzichten (glaubt mir, es sind nachher noch alle da!). Wir können Pausen vom Kochen machen. Pausen von Mittagspausen mit Arbeitskolleginnen. Pausen von Sport, Yoga oder Ausgang. Pausen vom Feierabendbier. Pausen von TV-Serien. Pausen von Chips. Pausen vom BH. Pausen von den Absatzschuhen. Pausen vom Sprechen. Pausen von ‚immer gleich‘.
Und selbstverständlich kenne ich auch Momente, in denen ich einfach etwas erledigen MUSS. Jede Frau, die selbständig arbeitet, kennt diese Momente.
Wir können alles, immer. Sogar menstruierend!
Je besser wir unsere zyklische Natur und unsere Bedürfnisse ins Arbeitsleben integrieren, desto schlauer werden wir und vorausschauender. Wir verbiegen uns nicht mehr für andere, sondern stehen in erster Linie für die eigenen Bedürfnisse ein.
Kennen wir unseren Zyklus entsteht eine Verlässlichkeit, und zwar auf uns selbst! Wir müssen nicht immer alles gleich gerne machen. Wir müssen auch nicht immer alles gleich gut machen. Jede Tätigkeit in unserer Arbeit gehört zu einer bestimmten Zyklus-Phase, und können wir sie erst zuordnen, läuft es plötzlich viel geschmeidiger.
Buchhaltung machen und vor allem auch Mahnungen schreiben fällt mir im inneren Herbst viel einfacher als im inneren Frühling (so à là ‚her mit der Kohle‘ versus ‚ach die zahlt dann schon mal irgendwann‘).
Fotoshootings sind im inneren Sommer, um den Eisprung herum, viel amüsanter als im inneren Winter. Als mutige Frühlingsfrau kann ich wortgewandt und elegant einen Vortrag halten, und im inneren Sommer kann ich alle mit meinem Charme und meiner Motivation begeistern. Bin ich am menstruieren, also im inneren Winter, ist meine Intuition geschärft und ich merke schnell, wenn etwas nicht mehr im Lot ist.
Für uns Frauen steckt ein riesiges Potential im zyklischen Arbeiten, da wir den Schwung der ersten Zyklushälfte und die Weisheit der zweiten Zyklushälfte smart miteinander verweben können.
Wenn wir einige Wochen unseren Zyklus beobachten und uns stichworthaltige Notizen machen sind wir auf dem besten Weg, erfolgreiche UND entspannte Businessfrauen zu werden, die die Welt verbessern!
An welchem Zyklustag bist du heute? Was fällt dir heute leicht, was tut dir heute gut? Und was lässt du lieber bleiben?
Zyklisch leben
Freude und Kraft aus dem Zyklus schöpfen
Frauen sind nicht immer gleich. Manchmal lieben wir die Menschen um uns herum, dann wieder finden wir alles nervend. Manchmal sind wir energiegeladen und dann plötzlich erschöpft. Nein, wir sind nicht wahnsinnig – wir erleben einfach verschiedene Zyklusphasen. In ihrem neuen Buch „Zykluswissen“ schreibt die Schweizerin Josianne Hosner in ihrer gewohnt humorvollen Weise, was es konkret bedeutet zyklisch zu und in Einklang mit den inneren Jahreszeiten zu leben. Liebevoll und frech wird beleuchtet, wie das Zykluswissen helfen kann, den Alltag mit all seinen Herausforderungen besser zu meistern.
In der Podcastfolge #29: Bloody Brilliant: Wie wir MIT unserem Menstruationszyklus leben statt gegen ihn mit Josianne Hosner erfährst du weitere interessante Ansatzpunkte zum zyklischen Leben und wie du deine vier inneren Jahreszeiten nutzen kannst, um dein Leben selbstbestimmt zu gestalten.
Von verlorenem Zykluswissen bis hin zum Zyklusrad: Noch mehr interessanten Input zum Thema findet ihr hier:
https://www.jubeltage.at/thema/koerperliebe-lust/zykluswissen/