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Der Friedenstanz mit meinem Körper oder: Mein tänzerischer Befreiungsschlag

Dieser Beitrag wartet jetzt schon 3 Monate darauf, veröffentlicht zu werden. Jetzt ist es soweit. Ellen (unsere Sternenflüsterin) sagte am Neumond-Tag des 14. Dezember zu mir so schön: „Karin, ein Körperzyklus geht heute und in den nächsten Wochen für dich zu Ende.“ Und ja, sie hatte recht. Ich hatte es die letzten Wochen und Monate schon gespürt, dass sich etwas tut. Dass etwas heilt, dass sich eine große Wunde, die in mir klafft, langsam aber sicher schließt. Deshalb ist jetzt der richtige Zeitpunkt, um diesen Beitrag zu veröffentlichen. Als Erinnerung für mich, dass ich mich auf einen neuen Weg befinde. Und als Erinnerung an dich: Dass du dich jederzeit auf einen neuen Weg mit, statt gegen deinen Körper, begeben kannst, wenn du das möchtest.

Die tanzende, kleine Karin

Ich habe eigentlich immer schon getanzt – es gibt Super8 Filme, auf denen ich mich permanent im Kreis drehe, da bin ich noch ganz klein. Mit 5 oder 6 Jahren kam ich in die Ballettschule und hab dort mit Leidenschaft und Begeisterung bis ich 16 Jahre alt war, getanzt. Meine nicht so zierliche Figur und mein Essverhalten (mit 8 machte ich meine erste Diät), waren im Alltag ständig Thema – warum kann ich mir heute gar nicht erklären, da ich zwar kein dünnes Kind, aber nie wirklich dick war. Zudem haben meine beiden Ballettlehrer, die ursprünglich aus Rumänien stammten, meine Figur nicht auf die sprichwörtliche „Waagschale“ gelegt. Dafür bin ich ihnen heute noch zutiefst dankbar.

Ich hatte eine sehr gute Koordination, war musikalisch UND: Ich hatte Riesenspaß am Tanzen. Sogar auf Spitzenschuhen habe ich für einige Monate getanzt – ein Highlight.

Professionell auf einer Bühne zu singen und zu tanzen, das hätte mir wirklich großen Spaß gemacht. Mit 20 habe ich noch im Musical „A Chorus Line“ auf der Bühne gestanden und „Let me dance for you“ gesungen (heute krieg ich Gänsehaut, wenn ich daran denke). „Aber mit meiner Figur“ – ich wiederhole noch einmal, dass ich damals von richtig dick wirklich weit entfernt war  –  „wäre das nichts für mich. Ich sollte lieber Opernsängerin werden“, wurde mir eingetrichtert. Nun gut, Opernsängerin werden, schon gar nicht als Plan B, weil mein Körper nicht ok sei, das wollte ich nicht, wie man ja jetzt an meiner Berufswahl sieht. Im Nachhinein betrachtet, bin ich glücklich darüber, denn ich bin davon überzeugt, dass es das Leben immer gut mit mir meint.

„Was will denn die Dicke da?“

Wenn man so will, war mein körperlicher Weg „vorbestimmt“ bzw. hab ich mich dafür entschieden, richtig dick zu werden. Die selbsterfüllende Prophezeiung, die ich mir täglich und mantrenmäßig vorbetete, zeigte seine Wirkung. Im Laufe der Zeit habe ich weiter zugenommen und seit sicher 20 Jahren nicht mehr intensiv getanzt. Schon gar nicht in einem „Kurs“ mit anderen Menschen. Die Gedanken, was die anderen sagen könnten („Was will denn die Dicke da?“) und dann noch vielleicht schwitzend und aus der Puste (Ja, das tun vielleicht alle, aber bei einer dicken Frau wird das dann schon nochmal anders gewertet.), haben mich davon abgehalten. Auch hier weiß ich, dass dies ausschließlich meine eigenen Begrenzungen sind, die mich limitieren. Ich habe auch in den letzten 10 Jahren sicherlich 3 oder 4 Anläufe gemacht, in Tanzstudios in Schnupperstunden zu gehen, hab mich aber nie wirklich wohl dabei gefühlt. Ich hätte einen geschützten Raum gebraucht, wie damals, als ich ein Mädchen war und den habe ich nicht gefunden oder besser gesagt habe ich ihn selbst nicht so wahrgenommen. Die Verletzungen waren zu groß.

Unsere Sehgewohnheiten: Diversität Fehlanzeige

Fakt ist einfach auch, dass übergewichtige und teilweise sogar normalgewichtige Frauen in unseren Medien völlig unterrepräsentiert sind. Es gibt kaum übergewichtige Covermodels, Moderatorinnen, Schauspielerinnen, Werbemodels, die uns gezeigt werden.

Das, was wir tagtäglich sehen, ist nicht Diversität aller Kleidungsgrößen und Körperformen, sondern eine Auswahl an „Ideal-Menschen“, die oft sogar noch stark mit Photoshop retouchiert sind.

Das macht etwas mit uns, bewusst oder unterbewusst. Dasselbe gilt für Sportkurse, Yogastudios, Fitnesstudios, Schwimmbäder – auch hier sind hauptsächlich schlanke Leute anzutreffen. Und hier beginnt der Teufelskreis, wenn wir uns aufgrund unserer Figur nicht mehr trauen, am aktiven, sportlichen Leben teilzunehmen, trägt das nicht gerade zu unserer Gesundheit bei… Ganz im Gegenteil. Zudem kommt, dass übergewichtige Menschen in unserer Gesellschaft mit sehr negativen Attributen in Verbindung gebracht werden. Disziplinlos, träge, schaufeln ständig ungesunde Lebensmittel in sich hinein (klar, sonst würden sie ja nicht so aussehen) usw. Tja, wer mich näher kennt, weiß, dass ich ein (zwar dickes) aber richtig energiegeladenes Duracell Haserl bin, auch wenn ich vielleicht nicht so aussehe. Das ist nur einer von vielen Gründen, warum sich unsere Sehgewohnheiten unbedingt ändern müssen – meinen Teil dazu, werde ich, wenn du weiterliest, noch dazu beitragen ;))

Selbstannahme & gescheiterte Visualisierungen

Im letzten Herbst habe ich mich erneut intensiv mit meinem Körper, meiner (wenig vorhandenen) Liebe zu ihm und meiner Selbstannahme beschäftigt. Wieder einmal – das ist nämlich eine kraftvolle Übung – habe ich den Versuch gestartet, mich in das Gefühl hineinzuversetzen, mein individuelles Wohlfühlgewicht erreicht zu haben. Das sollte zum Beispiel sehr gut über geführte Meditationen funktionieren. Sollte. Bei mir klappt das leider noch nicht so optimal, weil ich es mir bisher einfach nicht vorstellen kann, als Karin zu leben, die sich nicht mit ihrem Gewicht herumschlägt und mit dem Stempel „übergewichtig“ am Kopf herumläuft. Ich kann alles visualisieren, ein Leben an Koreas Küste am Meer, ein Wildblüten-Symposium ;))), ein Ferienhaus in Cornwall, mich auf einem Wikingerschiff… Tja, aber mich in meinem Wohlfühlkörper: Fehlanzeige… Da sehe ich (im wahrsten Sinne des Wortes): SCHWARZ. Ich bin schon sehr gespannt, wann sich diese Blockade lösen wird (derzeit tut sich gerade viel) und ich mich endlich sehen kann.

Singen, Sex, Tanzen & pure Freiheit

Weil das mit dem Visualisieren bisher nicht klappt, war ich auf der Suche nach Alternativen und wurde fündig:

Es gibt 3 Dinge, bei denen ich am allermeisten mit meinem Körper verbunden bin und gleichzeitig meinen Körper „nur“ als Körper spüre – mit dem, was er kann, was er tut, wie er sich anfühlt, unabhängig davon, wie er aussieht.

Wenn ich es jetzt sehr pathetisch ausdrücken würde, fühlt es sich so an als würde ich meine äußerste Hülle ausblenden und nur den Körper, ohne all die Zuschreibungen und Verletzungen spüren. Wie gesagt, das ist bei 3 Dingen der Fall: Beim Singen, beim Sex und beim Tanzen. 

Auf die beiden anderen gehe ich heute nicht näher ein 😉 – Bleiben wir also beim Tanzen. Wenn ich alleine zu Hause bin und mich in diesen tanzenden Trance-Zustand fallen lasse (kennt das noch wer?), dann bin da nur ich, mein Körper, die Musik und die Bewegung, die aus mir rauskommt. Ich mache die wildesten Verbiegungen (die man meinem Körper, wenn man ihn von außen sieht, gar nicht zutrauen würde), werfe meine Beine hoch, springe durch die Luft, fühle mich frei. Fühle mich nicht übergewichtig. Ich fühle mich auch nicht schlank, ich fühle mich einfach frei – als ich …

Annahme kommt vor Veränderung

In vielen Bereichen meines Lebens habe ich schon ganz intensiv erfahren dürfen, dass vor der Veränderung, die wir uns so sehnlichst wünschen, immer und zwar ausnahmslos, die Annahme von dem kommt, was gerade ist. Etwas, das ich lange nicht wahrhaben wollte und verstehen konnte. Warum soll ich meinen Körper lieben, wenn ich mir eigentlich wünsche, dass er anders aussieht? Dahinter steckt das Gesetz der Anziehung.

Wir holen mehr von dem in unser Leben, von dem wir überzeugt sind. Wir erschaffen das, worauf wir unseren Fokus legen. Alles, wogegen wir einen Widerstand haben, bleibt so lange in unserem Leben, bis wir es annehmen.

Wenn wir also beginnen, diejenigen Bereiche in unserem Leben mit Liebe zu betrachten, die wir so gerne verändern möchten, dann lösen wir den Knoten, der die Veränderung verhindert und es wird plötzlich so viel möglich! Hast du das auch schon erlebt?

Körperliebe Schritt für Schritt

Und ich habe mich aufgefordert genau das zu tun. Meinen Körper anzunehmen, wie er ist. Er muss nicht schlank sein, damit er wertvoll ist und jeden Tag Großartiges leistet. Was wäre ich ohne meinen Körper? Ein Fähnchen im Wind ;). Ich könnte weder diesen Beitrag schreiben, noch meine Kinder auf die Welt bringen, noch das Abo hier für euch machen. Nix ginge von all dem. Das anzuerkennen, ist nicht einfach für mich und da habe ich auch sicherlich noch einen langen Weg vor mir. Allerdings muss ich sagen, dass ich mit dem Tanzen wirklich eine wundervolle Möglichkeit für mich gefunden habe, mich immer wieder in diesen „er ist toll, er fühlt sich gut an, fernab von jedem Bewertungszustand“ zu versetzen. Weil da ist es einfach so.

Musik an und mein Körper ist nicht mehr der, mit dem Stempel „Achtung, übergewichtig!“ gebrandmarkte.

Musik an und ich bin nicht mehr die Karin, die durch ihr Äußeres träge und disziplinlos wirkt, sondern da ist mein Körper, das, was er in Wirklichkeit ist: kraftvoll, dynamisch, flexibel, ein wahres Wunderwerk!

Dance like nobody is watching

Ich möchte deine Sehgewohnheiten ändern und dich ermutigen, Begrenzungen fallen zu lassen, deshalb hab ich mich (ganz exklusiv für euch Wildblüten!!) selbst beim Tanzen (natürlich mit koreanischer Musik). Es geht dabei aber nicht darum, was ich mache oder wie gut oder wie schlecht, sondern darum, was es mit dir macht. Wie fühlt es sich für dich an, wenn du mich als übergewichtige Frau tanzen siehst? Was löst es in dir aus?

Klar ist, wenn ICH das kann, dann kannst du das auch! Dreh die Musik auf und tanze drauf los, tanze alles raus, das raus muss. Schüttle alles ab, das du loswerden willst.

Denk nicht daran, ob du toll dabei aussiehst oder ob es bestimmte Bewegungsabläufe sind. Lass es einfach aus dir rausfließen und verbinde dich mit deinem (Wildblüten)-Körper.

Ich wünsche dir ganz viel Spaß dabei!
Deine Karin

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4 comments

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Sara Deopito 1. Januar 2021 at 22:08

Liebe Karin! Ich kann nur sagen : wow, du tanzt einfach wunderschön. Es sieht natürlich und lebendig aus. Und wenn du mir diese Anmerkung erlaubst: ich finde dich überhaupt nicht dick.
Ich tanze seit über einem Jahr „Nia- getanzte Lebensfreude“ das war mein Start in mein bewussteres Frau-sein. Meine Trainerin und Coach Theresia unterstützt uns im achtsamen und bewussten Umgang mit unserem Körper!
Hier der Link zu ihrer HP:
https://www.abundancer.at/nia/
Alles Liebe
Sara

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Karin Graf-Kaplaner | Jubeltage 1. Januar 2021 at 23:10

Liebe Sara! Danke für deinen einfühlsamen Kommentar ;)! Die Website sieht spannend aus, sehe ich mir auf jeden Fall an! Alles Liebe, Karin

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Susanne Öhlschläger 2. Januar 2021 at 11:01

Liebe Karin

Tanz – Tanz – Tanz
Oh ich verstehe dich so gut
Du bist eine wunderschöne Frau

Das selbstvergessene Tanzen – sich der Musik und dem ureigenen Ausdruck hin-geben
Wunderbar
Danke von Herzen fürs teilen

Für mich ist es unter anderem auch der Hula
Ich tanze auch für mich – drücke damit aus – würde mir gerade so geht und finde im Tanz Anschluss an meine Gefühle und auch an Lösungen und auf jeden Fall for ich mich danach saugut
Ich Tanze sehr oft vor einer Lomi um mich einzustimmen

Aloha Susanne
Ps und meine Figur ist Wechselbedingt auch fülliger

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Ulrike Göbl 3. Januar 2021 at 19:48

So wunderschön!!! Danke liebe Karin, ein Traum dir zuzusehen!! Du bewegst dich so fließend und schön. Weißt du, ich bin zwar schlank, aber hab auch so meine Themen mit meinem Körper – ich bin immer schon „die ohne Busen“, die Fitnesstrainerin, die sich nicht fit genug vorkommt. Ich arbeite dran, werde auch immer besser, und werde auch deinem Rat mit dem Tanzen folgen – ich mach das nämlich im Grunde auch gerne, komm mir nur dabei immer wie ein hölzerner steifer Pinocchio vor – aber hey, ich probiere es aus und werte nicht! DANKE! Alles Liebe, Ulli

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